Karibu!

Willkommen in Tanzania!

27.9.2016 - Kigali (68558 km)

Hier geht's zur ... Shule

Durch den Westen Tanzanias - das war eine sehr gute Routenwahl. Wohl der ursprünglichste Teil des Landes. Die Menschen sind ehrlich, freundlich, offen und auf angenehme Weise stolz. Äußerst liebenswert. Immer wieder rufen sie mir ein "Willkommen in Tanzania!" zu, nicht etwa nur direkt bei der Einreise, sondern auch in den folgenden Wochen.

Auch heute verlaufen sich nur sehr wenige Touristen hierher, die Infrastruktur ist im Westen des Landes weiterhin bescheiden. Fließendes Wasser und elektrischer Strom sind Luxus. Meistens bekommt man in den einfachen Herbergen nur eine "Bucket Shower": einen Eimer Wasser und ein Schöpfgefäß. Strom ist da oder auch nicht. Sofern vorhanden, üblicherweise von Sonnenuntergang bis etwa 22 Uhr.

Stolz treten besonders die besser gebildeten Tanzanier auf. Sie bleiben cool, wenn sie mich sehen, den Muzungu, den Weißen, grüßen beiläufig mit nur leicht angehobener Hand. Wenn sie mich überhaupt beobachten, dann eher aus den Augenwinkeln. Bevor unser Gespräch auf Englisch beginnt, lassen sie mich ein paar Worte in Swahili stammeln. Wenn sie erkennen, dass ich mich wenigstens ein bisschen um ihre Sprache bemühe, schwenken sie gern aufs Englische um.

Der Swahili-Wortschatz ist relativ leicht zu lernen. Wenn man ein Wort nicht kennt, kann man es ruhig einmal mit dem englischen Wort versuchen. Ein angehängtes "i" führt gelegentlich zu einem Volltreffer, z.B. wiki für Woche. Hotel heißt hoteli, Guest House heißt gesti, das Fahrrad ist ein baiskeli. Zu essen bekommt man vor allem morgens oft supu. Dazu gibt es allerdings nicht ti, sondern chai (Tee). Viele andere Wörter stammen nämlich aus dem Arabischen. Und auch ein deutsches Wort ist während der Kolonialzeit in den Swahili-Wortschatz eingegangen: shule.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Neugierig

Ganz anders als die Gebildeten begegnen mir die einfachen Leute in den kleinen Dörfern. Da scheint es manchmal so, als sähen sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Muzungu. Vor allem die Kinder kommen in Scharen und starren mich an wie ein Marsmännchen, wenn ich vor einer Teebude mit einem Becher chai und ein paar mandazi sitze, dem typischen Fettgebäck. Doch auch Erwachsene mischen sich gern in die Menge und glotzen mich hemmungslos an. Mir fällt wieder ein, dass mein Bruder Max und ich bei unserer Tour durch Ostafrika vor 15 Jahren einen "Glotzfaktor" auf einer Skala von null bis zehn eingeführt haben. Da lag Tanzania ziemlich weit vorn. Aber wer Indien überstanden hat (Faktor 10), hat nirgendwo anders mehr auf der Welt ein echtes Problem damit.

Den Behörden ist man als Fremder in dieser abgelegenen Region regelrecht verdächtig. Am Morgen nach meiner Ankunft in der Stadt Sumbawanga kommen gleich vier uniformierte Immigration Officer in meine Unterkunft, um den Pass und das Visum zu kontrollieren und streng nachzufragen, ob ich wirklich nur als Tourist hier unterwegs bin. Später, in Mpanda, dauert es gerade einmal drei Stunden, bis mich die Einreisebehörde aufgespürt hat - beim Imbiss im Restaurant Victoria im Stadtzentrum.

Typisches Frühstück in Tanzania: supu mit chapati und chai. Die Suppe ist eine Brühe mit Rind- oder Hühnerfleisch.

In einem Backpacker Hostel in Mzuzu (Malawi) habe ich einen zerfledderten deutschen Reiseführer für Tanzania gefunden und ihn gegen drei Landkarten des südlichen Afrika eingetauscht. Der Reiseführer ist von 1999, die praktischen Informationen sind natürlich nicht mehr aktuell. Aber die allgemeingültigen Dinge wie Historie und weiterer Hintergrund sind mit sehr vielen Informationen unterhaltsam beschrieben. Schon das sehr persönliche Vorwort macht dieses Buch sympathisch, der Autor schildert zur Einführung eine berührende Begegnung mit einem alten, gelassenen Mann in einem staubigen Dorf in der Savanne Tanzanias. (Im Internet habe ich gesehen, dass es längst neue Auflagen gibt, die letzte ist von diesem Jahr (2016): "Tansania, Sansibar, Kilimanjaro", Jörg Gabriel, Reise Know-How Verlag).

Der "dreiteilige" und nicht mehr ganz vollständige, deutschsprachige Reiseführer, den ich in Malawi fand.

Der Katavi-Nationalpark ist das Kapitel, das mich besonders interessiert. Nicht weil ich unbedingt noch ein weiteres Mal auf Tierbeobachtung gehen möchte, sondern weil ich wissen muss, ob man dort als Radler durchkommt. Darüber schreibt der Autor nicht explizit, aber ich bekomme einen Eindruck, was auf mich zukommt: schlechte Piste, eventuell Löwen, Elefanten, Nilpferde und Kaffernbüffel. Und noch eine gefährliche Spezies: die Tsetsefliege, angeblich in rauen Mengen. Am Katavi-Park führt leider kein Weg vorbei.

Es gibt zwei Routen durch diesen Park hindurch nach Mpanda. Die westliche sei stark versandet, schreibt der Autor, die östliche diesbezüglich besser, allerdings sehe man dort nicht so viele Tiere. Ich will keinen Sand, und ich will auch keine wilden Tiere sehen. Also keine Frage, welche Route ich nehme.

Da unten, in der Ebene, liegt der Katavi-Nationalpark.

In Kibaoni, zehn Kilometer vor dem Park, mache ich Pause in einer Teestube. Der andere Gast, ein Mann aus dem Dorf, meint, der Katavi-Park sei sehr gefährlich. Vor allem wegen der Löwen. Als er merkt, dass ich das nicht hören will, ergänzt er: "Aber zu dieser Zeit nicht so sehr." Wobei ich wegen unserer Sprachbarriere nicht herausfinde, ob er die Tages- oder die Jahreszeit meint.

Beides sollte aber günstig sein. Die Mittagszeit habe ich ganz bewusst gewählt, weil die Tiere weniger aktiv als morgens und nachmittags sind. Dass ich zum Ende der Trockenzeit hier bin, ist ein glücklicher Umstand, jetzt sollten sich die Tiere mehr an den noch verbleibenden Wasserstellen konzentrieren.

Der Parkeingang ist nur durch ein harmloses Schild markiert, keine Schranke, kein Kassenhäuschen, kein Mensch. Auf dem Schild stehen einige Regeln: Man darf keinen Abfall aus dem Auto werfen, und "Game Viewing" (Wildbeobachtung) ist verboten (da man auf dieser Durchgangspiste keine Parkgebühren zahlt). Wenn ich einen Löwen sehe, muss ich also wohl die Augen zumachen. Kein Wort davon, dass man nicht aus dem Auto aussteigen darf. Das deckt sich mit meiner Erwartung, dass auf dieser Route wenig Wild unterwegs ist.

Am Parkeingang

Die Piste hat viel Wellblech. Sand ist kein Problem, über die ganze Breite der Piste findet sich immer eine Spur mit ausreichend festem Untergrund. Allerdings gibt es tückische Weichsandfelder, die nicht so leicht zu erkennen sind. Einmal stürze ich. Im weiteren Verlauf kommt dann sogar ab und zu uralter, buckliger Asphalt unter der Sandschicht hervor. Offenbar war diese Strecke vor Jahrzehnten mal asphaltiert. Der Katavi-Park wurde erst 1974 zum Schutzgebiet erklärt.

Die angekündigten Tsetsefliegen sind nicht da. Vielleicht auch das eine Frage der Jahreszeit, denke ich mir. Doch dann, nach zehn Kilometern, geht es los. Plötzlich umschwirren mich ganze Wolken dieser aggressiven Fliegen, die ja nicht nur schmerzhaft stechen, sondern auch die Schlafkrankheit übertragen können. Es ist die Hölle. Und mein Moskitospray mit immerhin 25% DEET beeindruckt sie nicht im Geringsten. Mit nur einer Hand am Lenker fahre ich über die Wellblechpiste, mit der anderen wedele ich vor dem Gesicht und versuche, die Fliegen auf den Armen, der Schulter, auf den Beinen und im Gesicht zu erschlagen. Ich treffe viele, aber diese Insekten sind wie aus Gummi und fliegen selbst nach einem Volltreffer meist weiter. Daher auch der Witz, dass sie eigentlich Zähzäh-Fliegen heißen müssten.

Einer der beiden Hippo Pools. Bis auf das stehende Tier wirken sie alle wie tot.

Zugleich will ich ja auch noch die Umgebung nach Wildtieren absuchen. Das ist allerdings allein deswegen schon schwierig, weil der Busch so dicht ist. Plötzlich taucht ein einzelner Elefant 150 Meter vor mir auf der Piste auf. Ich halte an, stelle das Fahrrad ab und ziehe mich an den Rand des Weges zurück. Der Elefant verschwindet nach einem kurzen Spaziergang entlang der Piste auf der linken Seite im Busch, wo ich ihn nicht mehr sehen kann. Ich warte ein paar Minuten in der Hoffnung, dass er sich entfernt hat. Steige wieder auf und fahre weiter. Als ich 50 Meter näher bin, kommt an derselben Stelle plötzlich eine kleine Karawane aus dem Busch, noch einmal acht Elefanten. Wieder stelle ich das Fahrrad ab und tue so, als wäre ich gar nicht da. Gleichzeitig muss ich wegen der Fliegen um mich schlagen.

Auf dem weiteren Weg fühle ich mich nicht sehr wohl, denn überall sind Elefantenkreuzungen zu sehen, daran zu erkennen, dass die kleine Pistenböschung heruntergetrampelt ist. Weil durch den dichten Busch nichts zu sehen ist, könnten die Riesen mit etwas Pech direkt neben mir auftauchen. Doch nur ein paar harmlose Antilopen springen noch über den Weg. Und in zwei Wasserlöchern direkt neben der Straße liegen mehr als 100 Nilpferde wie tot Körper an Körper.

Nachdem ich mir einige Stiche der Tsetsefliegen eingehandelt habe, habe ich längst die Fleecejacke aus der Tasche gezogen. Keine angenehme Sache, bei fast 35 Grad in einem dicken Pelz zu radeln, sollte man meinen. Aber ich spüre die Hitze gar nicht. Der Kampf gegen die Fliegen lenkt mich ab. Ich merke nicht, wie sehr ich unter der Jacke schwitze, habe keinen Drang zu trinken.

Eine dicke Fleecejacke ist nicht unbedingt die ideale Bekleidung bei knapp 35 Grad im Schatten.

Acht Kilometer vor dem Parkende hält ein Geländewagen vor mir. Ein englisches Ehepaar steigt aus, die beiden leben schon seit 30 Jahren in Tanzania und betreiben hier im Katavi-Park eine Lodge. Während wir uns unterhalten, spüre ich leichte Krämpfe in der rechten Hüfte. Auch die heisere Stimme und Taubheit im rechten Ohr signalisieren, dass ich dehydriert bin. Ich habe ja schon oft Probleme mit Krämpfen gehabt, kenne die Zeichen sehr wohl, doch so plötzlich war der Wasserstand in mir noch nie am Boden. Aus Angst vor Oberschenkelkrämpfen schiebe ich nun auch leichteste Steigungen, komme gerade noch bis zum Parkausgang. Dann geht nichts mehr.

Bis nach Sitalike, wo ich übernachten wollte, sind es nur noch 20 Kilometer. Aber ich habe überhaupt keine Chance, den Ort zu erreichen. Sobald ich ein Bein anziehe, verkrampft der hintere Oberschenkel. Ich muss einen Platz finden, an dem ich wie auf einem Stuhl sitzen kann. Niedrige Positionen führen ebenfalls schnell zu Krämpfen, auch das weiß ich aus langjähriger Erfahrung. Wie gerufen kommt da der Begrenzungsstein an einer kleinen Brücke, der sogar noch im Schatten von Bäumen liegt - ideal.

Nachdem ich eine Stunde hier verbracht habe, sitzend und die Beine schüttelnd, dann wieder ein paar Meter gehend, mit gelegentlichen Krämpfen in den Oberschenkeln, am Kinn, in den Füßen, an den Händen und einmal sogar in den Bauchmuskeln, kommt ein Auto mit zwei Rangern vorbei.

Sie fragen, ob alles in Ordnung ist. Ich erkläre ihnen die Lage und sage, dass ich am Straßenrand zelten werde. Sie schauen mich sehr besorgt an: "Hier sind Löwen unterwegs, die Straße verläuft genau an der Parkgrenze." Vor einiger Zeit sei in dieser Gegend ein Einheimischer angefallen worden. Ranger hätten ihn gerade noch vor dem Gefressenwerden retten können, der Löwe hätte bereits auf ihm gesessen. Das ist wirklich eine haarsträubende Geschichte, ich sehe die Szene wie eine Zeichnung aus dem Comic-Heft vor mir.

Insgesamt verbringe ich drei Stunden bei diesem steinernen Hocker, um weitere Krämpfe zu vermeiden.

Die beiden Ranger sind in der falschen Richtung unterwegs, können mich daher nicht selbst nach Sitalike mitnehmen. Aber sie wollen Kollegen rufen, die mich abholen. Sie fahren einen Kilometer weiter, um auf einem Hügel telefonieren zu können, kehren zurück und teilen mir mit, dass jemand kommen wird. In etwa 20 Minuten. Ich solle mir keine Sorgen machen.

Ich mache mir keine Sorgen. Aber ich willige ein, es ist ja überaus nett, wie sie sich um mich kümmern. Nur muss ich dann morgen die 20 Kilometer hierher zurückfahren, um meine Route lückenlos fortzusetzen.

20 Minuten sind längst um, eine Stunde lang passiert nichts. Dann nähert sich ein Toyota-Pickup der Parkverwaltung mit vier Rangern auf der Ladefläche. Uih, großes Empfangskommando. Der Fahrer hupt, winkt mir zu - und fährt durch! Jetzt bleibt noch eine Stunde, bis die Sonne untergeht.

Ich mache weiter Bewegungsübungen, gehe umher, setze mich dann wieder auf den steinernen Hocker, massiere die Beine. Stehe auf, stütze mich mit den Ellenbogen auf den Stein und schüttele die Beine aus. Ab und zu verkrampft sich der rechte Oberschenkel äußert schmerzhaft, ich brülle in den Busch hinein.

Eine Viertelstunde nach Sonnenuntergang beschließe ich, das Zelt aufzubauen, bevor es vollkommen dunkel ist. Links der Piste gibt es einen guten Platz, aber aus purem Aberglauben baue ich das Zelt auf der rechten Seite auf, die außerhalb des Nationalparks liegt. Mir ist natürlich klar, dass die Löwen die Nationalparkgrenze nicht kennen.

Am nächsten Morgen. Die Nacht ist krampf- und kampflos überstanden.

Bis das Zelt steht, ist es fast völlig dunkel. Als ich das Gepäck ins Zelt schaffe, kommt der Gelände-Pickup mit den vier Rangern auf der Ladefläche wieder vorbei. Soll ich jetzt wohl alles eilig wieder zusammenräumen und mit ihnen nach Sitalike fahren? Ich schalte die Stirnlampe aus und ducke mich weg. Sie fahren vorüber, ohne nach mir zu suchen. Wahrscheinlich glauben sie, dass ich doch noch weitergefahren bin.

Mehr Sorgen als die Löwen machen mir weiterhin die Krämpfe. Ich weiß von ähnlichen Situationen, dass Liegen nicht gut ist. Und so ist es auch heute: Sobald ich mich hinlege, beginnt überall in den Unter- und Oberschenkeln ein Zucken, das immer heftiger wird, bis Krämpfe kommen. Also aufrichten, möglichst noch vor dem Krampf, und die Beine massieren. Dann wieder austesten, ob ich mich hinlegen kann. Nein, geht nicht, schnell spüre ich, dass der Krampf bald wieder da ist. Aufrichten, massieren, versuchen, im Sitzen zu schlafen. Geht auch nicht. Nach zweieinhalb Stunden lassen die Zuckungen nach, so dass ich es endlich riskieren kann, mich zum Schlafen zu legen.

Kein Löwe kommt in der Nacht vorbei, jedenfalls weckt mich keiner.

Eines der markantesten Gebäude aus der deutschen Kolonialzeit: der Bahnhof von Kigoma.

Mpanda, eine Stadt 40 Kilometer nördlich des winzigen Ortes Sitalike, hat eine moderne, klimatisierte Apotheke. Hier kaufe ich Oral Rehydration Salt, um meinen Mineralien- und Elektrolythaushalt wieder in Ordnung zu bringen. Es hat die gleiche (von der WHO empfohlene) Zusammensetzung wie das in Deutschland erhältliche "Elotrans", kostet aber in Afrika - wie auch in Asien und in Südamerika - nur einen kleinen Bruchteil.

Außerdem frage ich nach dem Medikament gegen die Schlafkrankheit. Im Katavi-Park habe ich letztlich doch so viele Stiche der Tsetsefliegen abbekommen, dass ich eine Infektion befürchte. Bei Wikipedia kann man nachlesen, dass die Inkubationszeit ein bis drei Wochen beträgt. Für den Fall, dass die Krankheit mitten im Busch ausbricht, möchte ich vorbereitet sein. Unbehandelt kann die Schlafkrankheit tödlich verlaufen. Die Dame hinter der Theke verschwindet kurz, kehrt zurück und sagt, dass der Doktor gleich kommt. Oops - sie hat einen Arzt gerufen? Es stellt sich jedoch heraus, dass der nicht weit ist, nämlich gleich im Nebenraum sitzt, abgetrennt nur durch eine Schrankwand.

Ein Überlandbus ist angekommen. Sofort sind fliegende Händler da, die vor allem Proviant verkaufen.

Der gute Mann möchte wissen, was für Symptome ich denn hätte. - Nein, nein, noch gar keine Symptome. Ich hätte das Medikament nur gern schon jetzt, zur Sicherheit. - Der Arzt erklärt, dass es sich bei dem Mittel nicht um Tabletten handelt, sondern um eine Injektion, die nur im Krankenhaus verabreicht wird. Doch er meint, wenn ich nach zwei Tagen noch keine Symptome hätte, bräuchte ich nichts zu befürchten. Passt nicht mit den Wikipedia-Informationen zusammen, aber wahrscheinlich kennt man sich hier besser mit den verschiedenen Formen der Schlafkrankheit aus.

Auf recht guter Piste geht es weiter nordwärts Richtung Kigoma. Es liegen nur wenige Dörfer direkt am Weg. Eine Nacht verbringe ich im Hauptquartier des Flüchtlingslagers Mishamo, fast zehn Kilometer abseits der Hauptpiste. Auf einem großen Areal leben in dieser Gegend sogenannte 1972-Burundier, Menschen, die in jenem Jahr wegen ethnischer Konflikte aus dem kleinen Nachbarland fliehen mussten. In den mehr als 40 Jahren hat sich das Lager in eine Ansammlung vieler Dörfer und kleiner Siedlungen verwandelt. Nur Schriftzug und Logo des UNHCR auf einigen Geländewagen der Organisation und auf umfunktionierten Zeltplanen verraten, dass dies keine gewöhnlichen Dörfer sind. Tanzania hat den über 100.000 Burundiern inzwischen die tanzanische Staatsbürgerschaft angeboten.

Im Flüchtlingslager Mishamo

Auf der Piste zwischen Mpanda und Uvinza, das während der deutschen Kolonialzeit Gottorp hieß und bekannt für sein Salzwerk war, begegnen mir nur etwa 20 Fahrzeuge am ganzen Tag. Von Uvinza führt eine belebtere Asphaltstraße nach Kigoma am Tanganjikasee, wo ich ein paar Tage bleibe. Natürlich auch, um das benachbarte Ujiji zu besuchen, den berühmten Ort, in dem der amerikanische Reporter Henry Morton Stanley 1871 den über Jahre verschollen Forschungsreisenden David Livingstone unter einem Mangobaum antraf. Noch berühmter sind die Begrüßungsworte, die Stanley damals wählte: "Dr. Livingstone, I presume?" ("Dr. Livingstone, wie ich annehme.")

Ujiji

 

In seiner zweiten Rolle als Missionar versuchte Livingstone erfolglos, die Sklaverei zu bekämpfen. Ujiji war zu jener Zeit ein wichtiger Ort für den Menschenhandel der Araber, die auf der anderen Seite des Tanganjikasees, im Gebiet des heutigen Kongo, auf Sklavenjagd gingen. In Ujiji wurden die Gefangenen auf engstem Raum eingekerkert, bevor sie zu einem langen Fußmarsch zum Indischen Ozean gezwungen wurden. Auch heute noch ist Ujiji moslemisch geprägt, man fühlt sich an die Küste Ostafrikas versetzt.

Auf den über 300 Pistenkilometern nördlich von Kigoma herrscht wesentlich mehr Verkehr als zwischen Mpanda und Uvinza. Hier sind es 60-100 PKW, Busse und Lastwagen in jeder Stunde. Die Sonne wandert inzwischen fast durch den Zenit, der Schweiß verbindet sich mit dem aufgewirbelten Staub zu einem dunkelroten Schmierfilm auf meiner Haut. Nach stundenlanger Fahrt bin ich abends kaum noch als Muzungu zu erkennen.

Just in diesen Tagen fahre ich also unter der Zenitsonne hindurch. Bei Tagundnachtgleiche (um den 20. März und um den 23. September) steht die Sonne ja senkrecht über dem Äquator. Jetzt in Ruanda bin ich nur zwei Grad südlich von der Gürtellinie unseres Planeten unterwegs. Hier wird die Sonne an einem der kommenden Tage im Zenit stehen und mir in den nächsten Monaten wieder auf den Rücken scheinen. Ich komme aus dem Südwinter und fahre hinein in den Nordwinter. Die Sonne zieht in entgegengesetzter Richtung weiter, bis sie Ende Dezember am Wendekreis des Steinbocks umkehrt. Der verläuft in Afrika durch Mozambique, Südafrika, Botswana und Namibia. Bis die Sonne dann ihren nördlichsten Punkt erreicht und am Wendekreis des Krebses im Zenit steht (um den 21. Juni herum auf der Höhe Assuans), sollte ich schon längst wieder in Europa sein. Inshallah!

 
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