Durchgelassen

(Kasachstan / Kirgistan)

4.8.2013 - Bishkek / Kirgistan (9423 km)

Ein kleiner Appell vorab:

Liebe Innenminister Russlands, Kasachstans und all der anderen Ex-Sowjet-Staaten!

Denkt doch bitte mal über den Sinn der Registrierungspflicht nach! Braucht Ihr die wirklich noch? Man kann sich doch längst frei bei Euch bewegen. Die Meldepflicht ist nicht nur für den Reisenden lästig, sie führt auch bei Euch zu unnötiger Bürokratie. Sie ist ein Relikt aus alten Sowjet-Zeiten - Ihr habt nur vergessen, sie abzuschaffen.

Schafft sie jetzt ab, am besten noch heute!

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Die kasachisch-kirgisische Grenze im Karkara-Tal - im Vordergrund ein liegengebliebener Lada.

Auf der Polizeistation in Kegen wird wieder offensichtlich, dass es bei der Registrierung in Kasachstan keine einheitliche Regelung gibt: Die Beamten wollen mir den Stempel nicht geben. Es sei nicht nötig, ich sei doch schon registriert. - Ja, das meine ich ja auch! Aber ohne die Registrierung aus Kegen lassen sie mich an der Grenze nicht ausreisen.

Etwas widerwillig drückt einer der Uniformierten schließlich den Stempel auf die Migrationskarte. Jetzt habe ich drei solche Registrierungen, und eine hätte eigentlich reichen müssen.

Es ist inzwischen 16 Uhr. Da die Grenze um 18 Uhr schließt, übernachte ich noch einmal in Kegen. Der nächste Morgen ist windstill, diesmal schaffe ich es in zwei Stunden bis zu dem einsamen Grenzposten. Der Soldat vom Vortag begrüßt mich freundlich. Wieder richtet er die Videokamera am Schalter auf mich aus.

"Und? Haben Sie jetzt die Registrierung?" - "Ja, habe ich." - Er schaut sich die Papiere genau an; diesmal ist auch aus seiner Sicht alles in Ordnung.

Man hat viel Zeit in diesem abgelegenen Hochtal. Keine fünf Fahrzeuge überqueren jede Stunde die Grenze. Drei Tage am Stück schiebt die Mannschaft ihren Dienst, bis sie von Kollegen abgelöst wird. Der Mann am Einreiseschalter möchte noch ein bisschen über Deutschland plaudern. "Michael Ballack" fällt ihm ein.

Drei kirgisische Som (ca. fünf Euro-Cent).

Ja, der ist aus Deutschland; allerdings ist er als Fußballspieler nicht mehr aktiv.

Der Soldat macht eine Bewegung wie jemand, der etwas an den Nagel hängt.

Genau. Aber finanzielle Sorgen hat er bestimmt nicht, er sollte eigentlich ausgesorgt haben.

Ist er Millionär?

Klar, all die bekannten Fußballspieler sind Millionäre.

Die fahren also alle einen Rolls-Royce?

Nee, eher Porsche oder schnelle BMWs oder so was.

Die Landkarte auf der Lenkertasche zieht alle in ihren Bann.

Jenseits der Grenze fällt dem kirgisischen Zöllner zu Deutschland wieder nur "Hitler" ein. Wie schon so vielen anderen, die fragten, woher ich denn käme. An ihren Reflex habe ich mich längst gewöhnt, lächele am besten dabei, so wie es das Gegenüber in dem Moment auch tut.

Aus dem Weideland des Karkara-Tales führt die Piste über einen flachen Pass in das Tal des Tup-Flusses hinüber, das hier, im oberen Verlauf, noch sehr eng ist. Die Berghänge sind steil und mit hohen Nadelbäumen bewachsen. Der Tup mündet schließlich in den Issyk-Kól, den großen See im Nordosten Kirgistans. 180 Kilometer lang, bis zu 60 Kilometer breit und 1600 Meter über dem Meer gelegen, gilt er als "zweitgrößter alpiner See der Erde" - der größte ist unumstritten der Titicacasee im Andenhochland. Vor allem das Nordufer des Issyk-Köl ist touristisch erschlossen, im Hauptort Cholpon Ata liegt auch die luxuriöse Yacht des kirgisischen Präsidenten.

Issyk-Köl

Kirgistan ist ein vielbesuchtes Land, was nicht zuletzt daran liegt, dass es für viele Nationalitäten inzwischen visumfrei ist. Zwei Monate lang habe ich im Süden Russlands und in Kasachstan keinen einzigen Touristen gesehen, als ersten dann in Almaty Thorsten aus Hamburg. Er ist von der Mongolei aus mit dem Fahrrad nach Westen gestartet und über China nach Kasachstan eingereist.

"Nomad's Home" in Bishkek

In Kirgistan sind nun Begegnungen mit Reiseradlern an der Tagesordnung. Sophie und Ingo kamen mir kurz nach der Einreise entgegen; wir standen über eine Stunde lang auf der Piste und quatschten. Das Gespräch ein paar Tage später mit zwei finnischen Radlerinnen dauerte nur noch fünf Minuten - weiter in der Landesmitte winkt man sich bei Begegnungen auf der Straße oft nur noch zu.

Thorsten treffe ich in der Unterkunft in Bishkek wieder, ohne dass wir verabredet sind. Das "Nomad's Home" ist der Treffpunkt für Radfahrer und Rucksackreisende in der kirgisischen Hauptstadt; man übernachtet im Schlafsaal, in einer Jurte oder baut im Garten das eigene Zelt auf. Der Innenhof ist voller Reiseräder von Kurz- und Langzeitradlern. Es wird geschraubt und gebastelt, jeder nutzt die gute Infrastruktur und bessert die kleinen und großen Schäden am Fahrrad aus.

Maxime, ein Reiseradler aus Frankreich.

Das einzige technische Problem, das ich bisher hatte, war das Tretlager, das viel zu früh seinen Dienst quittiert hat. Viele von Euch haben nachgefragt, wie es denn damit weitergegangen ist. Es war schon eine eigenartige Geschichte. Hier noch einmal die Chronologie:

  • 3500 Kilometer nach dem Start in Erlangen stelle ich in Jaroslawl / Russland fest, dass das Tretlager etwas Spiel hat.
  • 1000 Kilometer weiter ist der Ausschlag an der Tretkurbel schon deutlich größer. (Wenn Tretlager nachlassen, tun sie das offenbar in rasantem Tempo. Bei meiner Weltumradlung von 2000 bis 2004 hielt das Shimano-XT-Tretlager unglaubliche 68.000 km durch, ohne auch nur einen Millimeter-Bruchteil Ausschlag zu haben. In Istanbul begann es dann aber, leicht zu wackeln - am Ende kam ich mit Müh' und Not damit die letzten 3000 km zurück bis nach Deutschland.)
  • In Ryazan / Russland bekomme ich ein passendes Ersatztretlager, allerdings nur ein namenloses Billigteil für 8,50 Euro.
  • Da ich diesem Tretlager nur 1000 bis 2000 Kilometer zutraue, bitte ich meinen Freund und Fahrrad-Dealer Jörg in Erlangen, höherwertigen Ersatz auf den Weg nach Kasachstan zu bringen.
  • Es ergibt sich günstig, dass eine kasachische Siemens-Kollegin nur ein paar Tage später auf dem Heimflug das Ersatzteil nach Astana mitnehmen kann (vielen Dank Marhabat!).
  • Ich ändere meine Reiseroute, fahre nicht am Aralsee vorbei durch Kasachstan, sondern 1000 Kilometer weiter östlich, um das neue Tretlager im Siemens-Büro in Astana abzuholen. Neben dem Ersatzteil überreicht mir eine kasachische Kollegin dort auch eine Riesenbrezel von der Erlanger Bergkirchweih (vielen Dank Michaela!)
  • Das 8,50-Euro-Tretlager aus Russland ist allerdings auch nach 3000 Kilometern noch wie neu. Es gibt keinen Grund, es auszuwechseln.
  • Bis hierher, nach Bishkek, hat das vermeintliche Provisorium nun schon 5000 Kilometer ohne Verschleißerscheinungen absolviert - das Ersatztretlager steckt immer noch in der Packtasche.
 
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