Besuch in Erlangens Partnergemeinde Beşiktaş
15.4.2017 - Suceava (79507 km)
Auf dem Weg durch die Süd- und die Westtürkei zum Bosporus: Alanya ...
... die Bucht von Antalya ...
... und die Kalkterrassen bei Pamukkale. In den Bergen liegt Ende März noch Schnee.
Der Polizist an der großen Brücke weiß schon Bescheid. Ich solle noch ein Stück weiterfahren und dort in der Parkbucht warten. Die anderen kämen gleich, signalisiert er.
Bei trübem Wetter mit knapp 10 Grad stehe ich an der Auffahrt zur Bosporus-Brücke. Die dunklen Wolken halten glücklicherweise ihren Regen zurück. Drüben, auf der anderen Seite der Meerenge, liegt der europäische Teil Istanbuls. Die Blaue Moschee, die Hagia Sophia und der markante Galata-Turm sind deutlich zu erkennen.
Sie werden mich auf Motorrädern über die Bosporus-Brücke und weiter zum Rathaus von Beşiktaş eskortieren. In der Mitte Murat, rechts Yussuf. Die beiden anderen begrüßten mich mit Bruderkuss, stellten sich aber nicht mit ihrem Namen vor.
Ein paar Minuten später kommt ein Motorrad mit Blaulicht herbei, Murat und der Sozius Yussuf begrüßen mich sehr herzlich. Wir warten noch einmal zehn Minuten, bis ein zweites Motorrad da ist. Eines wird vorausfahren, das andere hinter mir her. Da alle drei Bosporus-Brücken Autobahnbrücken sind, darf man auf ihnen normalerweise nicht radeln. Fahrräder auf Autobahnen mögen so ungewöhnlich in der Türkei nicht sein, aber wahrscheinlich ist das Radfahren auch wegen der starken Winde auf der Brücke verboten. Sie ist rund eineinhalb Kilometer lang, man schwebt 70 Meter über dem Wasser. Heftiger Seitenwind macht es mir schwer, die Spur zu halten. Die Aussicht auf den Bosporus und auf Istanbul ist fantastisch. Fünf Minuten radele ich zwischen den Kontinenten, bin nicht mehr in Asien, aber noch nicht in Europa.
Auf der Bosporusbrücke - Foto: Yussuf.
Erlangens Partnergemeinde Beşiktaş hat das alles organisiert, um mir eine Rückkehr nach Europa im Fahrradsattel zu ermöglichen. Die Eskorte begleitet mich nicht nur über die Brücke, sondern auch noch bis zum Rathaus von Beşiktaş. Dort ist der Empfangssaal feierlich geschmückt. Neben der türkischen Flagge steht die deutsche, auch die Banner von Erlangen und Beşiktaş fehlen nicht. Hier übergebe ich das Grußschreiben aus Erlangen. Den Brief, den ich vor drei Jahren und 364 Tagen auf dem Erlanger Rathausplatz in die Packtaschen geschoben habe.
In der Zwischenzeit ist viel passiert. Der Absender des Grußschreibens, OB Siegfried Balleis, ist nicht mehr im Amt. Und auch der Empfänger hat seinen Posten inzwischen an den Nachfolger abgegeben. Doch das spielt keine große Rolle, die Geste ist das Wichtigste. Es ist ein Gruß der deutschen Stadt Erlangen an die türkischen Freunde am Bosporus. Und er kommt genau zur richtigen Zeit an. Denn auch auf den hohen Ebenen hat sich in diesen letzten Jahren ja viel getan, das türkisch-deutsche Verhältnis ist zerrüttet.
Übergabe des Erlanger Grußschreibens an Murat Hazinedar und Übernahme dessen Briefes an den Erlanger OB Florian Janik. Auf dem großen Bild im Hintergrund Staatsgründer Mustafa Kemal Paşa, der legendäre Atatürk, "Vater der Türken". - Foto: Stadt Beşiktaş
Auf unserer kleinen Radtour durch Beşiktaş erklärt Murat Hazinedar auf meine Nachfrage: Sein erstes Ziel ist eine weitere Amtszeit als Stadtoberhaupt. Für den Fall, dass es dazu nicht kommt, hat er eine Alternative: eine lange Reise mit dem Segelboot. - Foto: Stadt Beşiktaş
In diesen turbulenten Zeiten ist man in Beşiktaş für die Erlanger Grüße besonders dankbar. Von Stadtoberhaupt Murat Hazinedar übernehme ich im Gegenzug einen Brief, der an unseren OB Florian Janik gerichtet ist. Herr Hazinedar selbst kann auf absehbare Zeit nicht nach Erlangen kommen. Dem Oppositionspolitiker, Mitglied der sozialdemokratischen CHP, wurde von der türkischen Regierung der Pass abgenommen. Das bedeutet Ausreiseverbot. Die Begründung ist fadenscheinig, auch in seinem Fall wurde das Totschlagargument "Kontakte zur Gülen-Bewegung" vorgebracht. (-> TV-Beitrag zum Thema deutsch-türkische Städtepartnerschaften in "Quer")
"Ja!"
Obwohl Beşiktaş' Mehrheit gegen Erdoğans Pläne zur Ausweitung seiner eigenen Macht ist, sieht man unzählige "Evet"-Transparente auf den Straßen, meist mit dem Konterfei Erdoğans, manchmal ist auch Ministerpräsident Yıldırım abgebildet. "Ja" soll man also am Tage des Referendums stimmen.
"Hayır"-Plakate ("Nein") sind dagegen nur selten zu sehen. Sie zeigen ein hintergründig lächelndes, junges Mädchen. Diese Transparente aufzuhängen, sei oft mit Ärger verbunden, erzählt mir jemand in Beşiktaş. Oder gar nicht erst möglich. Man braucht ja die Zustimmung der Bewohner, wenn man das Transparent an einer Hauswand anbringen oder es quer über die Straße spannen will. Doch viele Türken sind eingeschüchtert. Erdoğan hat zwar den Hass gegen Westeuropa noch nicht in ihre Herzen implantieren können, aber er regiert bereits jetzt mit der Verbreitung von Angst.
Recep Tayyip Erdoğan: Wenn Du morgen Dein Referendum gewinnst, wird es Dir ein Leichtes sein, die letzten Widersacher aus dem Weg zu räumen. Danach wirst Du Dich hoffentlich recht bald zu Tode langweilen.
"Nein."
Ein riesiger Schwarm Störche weist mir außerhalb von Istanbul den Weg. 70 oder 80 Tiere fliegen auf der Reise in ihr Sommerquartier nach Nordwesten. Für die beiden, die sich beim Steinbach-Bräu in Erlangen oben aufs Dach setzen werden, sind es noch 1600 Kilometer Luftlinie. Mit dem Rad wäre ich auf der kürzesten Route nach Hause 1900 Kilometer unterwegs. Doch wegen der Besuche bei den westeuropäischen Partnerstädten werden es noch rund 9000 Kilometer sein.
Die türkische Stadt Edirne liegt in einem Dreiländereck. Wegweiser zeigen nach "Bulgaristan" im Norden und nach "Yunanistan" im Westen. Eigentlich könnte ich direkt nach Norden fahren. Da aber Bulgaristan und die anderen Länder weiter nördlich noch ihre eigenen Währungen haben, mache ich den kleinen Umweg über Yunanistan, um mich dort mit Euros einzudecken. Das Land scheint zwar immer am Rande der Pleite zu leben, aber Athen ist glücklicherweise in der Lage, die Automaten mit Geld zu befüllen.
An einer Tankstelle bekomme ich dann auch noch eine Europa-Landkarte. Irgendwie habe ich es verpennt, mich rechtzeitig um gute Karten zu kümmern. Dieses Exemplar hat einen Maßstab von 1:2,5 Millionen. Etwas klein, doch in Verbindung mit dem GPS-Gerät und den OSM-Landkarten ausreichend. Die Papierkarte dient zur groben Orientierung, die Feinplanung mache ich digital (-> Landkarte oder GPS?).
Bulgarien und Rumänien haben sich in den letzten zehn Jahren weiter nach Westen entwickelt, aber vor allem auf dem Lande findet man noch viel Ostblock-Flair: sterile Restaurants und Bierkneipen, viele Pferdewagen, kleine Einkaufsläden, die als solche kaum zu erkennen sind, weil sie von außen wie Wohnungen aussehen.
Die Vielzahl der Routen, zwischen denen ich jetzt wählen kann, ist geradezu verwirrend. In Ländern wie dem Sudan und Ägypten gab es wegen der Geografie oder der politischen Lage bestenfalls zwei Möglichkeiten. Im Osten Europas kann ich nun sogar auf Radfernrouten ausweichen, etwa den Donauradweg oder den wilden "Eurovelo 13". So werde ich auf Umwegen nach Österreich radeln und dann dort den nächsten Grußbrief überreichen - in Umhausen.
Wachanlagen an einer EU-Außengrenze - von innen gesehen. Hier Bulgarien, hinter dem Hügel die Türkei.
Der Radfernweg "Eurovelo 13" führt über kleine Verbindungsstraßen zwischen Dörfern im Süden Bulgariens. Als Radroute ist er nur auf meiner digitalen OSM-Karte eingezeichnet. Es gibt keine Schilder, keine Radler und manchmal auch kaum noch einen Weg.
Frühling in Bulgarien
Graues Restaurant ...
... und dann aber auch immer wieder die neuen Farben des "Ostblocks". Früher waren solche Spielplätze aus Eisen und Beton.