Zurück in Deutschland

... und doch noch 8.000 km von Erlangen entfernt

16.5.2017 - Chatillon-sur-Chalaronne (82184 km)

 

Morgens an der Donau in Rumänien

Vermüllte Idylle an der Donau - ebenfalls in Rumänien.

Als ich Ende März in der Türkei zwischen Antalya und Istanbul unterwegs war, schneite es noch in 1500 Metern Höhe. Die frühen Morgen waren kalt, doch als es dann bei Pamukkale in den tieferen Lagen wärmer wurde, war ich sicher, dass die Handschuhe nun zum letzten Mal auf dieser Reise zum Einsatz gekommen waren.

Nach einigen Frühlingstagen in Bulgarien kehrte im April die Kälte zurück. In Rumänien bibberte ich im Regen bei knapp über null Grad, und die kalten Tage zogen sich über Moldawien bis in die Ukraine hin. In den Karpaten lag die Schneefallgrenze Ende April bei 300 Metern. Erinnerungen an die ersten Wochen der Reise wurden wach, als wir (Walter, Jörg, Gertrud und ich) auf dem Weg nach Wladimir im Frühling 2013 wochenlang durch Schneelandschaft fuhren.

Dorf in Moldawien

Als ich in Zypern nach mehreren Jahren zum ersten Mal wieder Euro-Scheine sah, erschienen mir die Geldnoten sehr klein. Die Lei-Scheine in Moldawien sind noch winziger. Besonders gemein ist, dass sich die Ein-Leu- und die 100-Lei-Noten sehr ähneln.

Viele Brunnen in Osteuropa sind noch im Gebrauch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ende April 2017 in den Karpaten in der Ukraine: Schnee bis hinunter auf 300 Meter.

Nahe der Stadt Uchgorod will ich aus der Ukraine in die Slowakei ausreisen. 30 Kilometer vorher erfahre ich nur zufällig, dass dieser große Grenzübergang für Fußgänger und Fahrradfahrer gesperrt ist. Nur Autos und Motorräder dürfen dort in die EU einreisen. Mal wieder eine neue Erfahrung. Es gibt Übergänge, die nur von Bewohnern der aneinander grenzenden Staaten benutzt werden dürfen ("nicht-internationale" Grenzübergänge); aber eine Sperre für Fahrräder habe ich in Europa noch nie erlebt.

Abenteuer Europa! Auf einem Feldweg in der Slowakei -- fernab von Ortschaften -- beginnt es zu regnen. Der Lehmboden wird sofort seifenglatt, die Laufräder blockieren nach wenigen Umdrehungen. An einigen Stellen kann ich das Fahrrad über Gras schieben, an anderen Stellen muss ich es über den aufgeweichten Lehm zerren. Ich schaffe zwei Kilometer in der Stunde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als ich nach vier Kilometern wieder festen Boden unter den Rädern habe, pule ich eine halbe Stunde lang mehrere Kilogramm Lehm unter den Schutzblechen hervor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Am Abend lädt mich in Roznava die Familie Szabo ein ...

... wo ich im Hof auch die Ausrüstung reinigen kann.

Auf dem Globetrotter-Campingplatz in Nairobi ("Jungle Junction") lernte ich im vergangenen Oktober Franziska und Martin kennen, ein Ehepaar aus Österreich, das schon zwei Jahre lang mit einem alten Unimog in ganz Afrika unterwegs war. Franziska hatte starke Rückenschmerzen, die niemand erklären konnte. Sie musste Schmerzmittel nehmen und saß im Rollstuhl. Ein paar Tage später flogen sie nach Hause, damit Franziska in Wien behandelt werden konnte.

Aus Kairo fragte ich per Mail nach, wie es denn geht. Martin war überraschend kurz angebunden und verwies nur auf die -> Homepage der beiden. Was ich dort las, war schockierend: Franziska ist im Dezember an Krebs gestorben.

Franziska und Martin mit ihrem Unimog in Kamerun

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als ich die beiden in Nairobi traf, saß Franziska wegen der starken Rückenschmerzen im Rollstuhl.

Im kleinen Örtchen Petronell-Carnuntum, zwischen Bratislava und Wien, besuche ich Martin. Er wohnt idyllisch in einem Gebäude, das früher ein Reitstall war. Aber es fehlt Franziska. Die Urne steht in seinem Schlafzimmer, ihre Asche hat er bei einer Ballonfahrt über den Alpen ausgestreut.

Lieber Martin, weiterhin viel Kraft für die Zukunft!

Martin in Petronell-Carnuntum (bei Wien) neben seinem alten 54-PS-Unimog. Der rote Reise-Unimog steht noch in Nairobi. Martin wird ihn im Sommer zurück nach Österreich fahren.

In Altheim nahe der deutschen Grenze ein Kurzbesuch bei Heinz, einem Mitglied im ->Radreise-Forum. Am nächsten Tag die Rückkehr nach Deutschland. In Burghausen reise ich ein. Fahre weiter zum Chiemsee, wo ich auf einem Zeltplatz in Prien übernachte. Erlangen dürfte nur 250 Kilometer entfernt sein. Aber wegen meiner weiten Runde zu den Partnergemeinden in Westeuropa liegen noch ca. 8000 Kilometer vor mir.

Da drüben, auf der anderen Seite der Salzach: Deutschland!

Die geplante Route durch Europa

 

Hinter Sachrang zurück nach Österreich. Am Inn entlang nach Westen, hinter Innsbruck links abbiegen ins schöne Ötztal und hinauf nach Umhausen. Ich ziehe das fünfte Erlanger Grußschreiben aus der Tasche, wundere mich abermals, wie gut die Umschläge nach mehr als vier Jahren noch aussehen. Ein paar Druckstellen, aber sonst noch wie neu.

Mein Timing ist - zufällig - sehr gut. Am folgenden Tag wird das Ötzi-Dorf für diese Saison eröffnet, ein Freilichtmuseum, das einen Eindruck vom Leben der Menschen vor 5000 Jahren vermittelt. Bürgermeister Johann Kammerlander und Partnerschaftsbeauftragter Leonhard Falkner laden mich ein. Auch Erika Simon ist anwesend, die Nürnbergerin, die 1991 südlich von Umhausen mit ihrem Mann die mumifizierte Leiche des Ötzi fand.

Saisoneröffnung des Ötzi-Dorfes

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ötzi-Finderin Erika Simon aus Nürnberg im Gespräch mit Leonhard Falkner

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Timmelsjoch, das von Umhausen direkt nach Italien führt, ist noch einige Wochen gesperrt. Also fahre ich zurück zum Inn und dann im übernächsten Seitental wieder links Richtung Süden. Noch immer ist es zu kalt für die Jahreszeit, die Straße am Maloja-Pass ist jedoch schneefrei. Die lange Abfahrt bringt mich zum Comer See und zurück in den Frühling.

In Cumiana treffe ich meinen Freund Wolfgang, der ebenfalls per Rad aus Erlangen angereist ist (allerdings hat er irgendwie einen kürzeren Weg gefunden als ich). Zusammen fahren wir zum offiziellen Empfang vor dem Rathaus. Dort warten die "Amici della Bicicletta", eine sehr aktive Fahrradgruppe, die regelmäßig Fernfahrten organisiert. Jörg Gruner aus Erlangen (Tour-de-Friends-Mitfahrer bis Wladimir, siehe oben) hat mit ihnen schon mehrere Touren unternommen. Demnächst fahren die Amici und Jörg auf Umwegen die Strecke Berlin-Erlangen.

Am Maloja-Pass

Blick zurück vom Comer See

Beim Abendessen treffen wir in großer Runde auch den Bürgermeister Paolo Poggio. Wir sind zu "Giro Pizza" eingeladen, zum "Pizza-Rennen", bei dem der Ober nach und nach verschiedenste Variationen der italienischen Spezialität auf den Tischen verteilt. Zum Abschluss - quasi als Dessert - kommt Pizza mit Nutella.

Nach dem Essen überreiche ich den Erlanger Grußbrief. Wie in Beşiktaş hat hier in der Zwischenzeit der Bürgermeister gewechselt, der eigentliche Adressat ist also nicht mehr im Amt. Doch wie in Beşiktaş sieht man es auch hier so, dass es sich nicht um einen Brief von Person zu Person handelt, sondern um einen weitgereisten Gruß aus Erlangen an die Freunde in Cumiana.

Cumianas Bürgermeister Paolo Poggio mit dem Grußschreiben aus Erlangen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Altbürgermeister Gianfranco Poli besiegelte 2001 die Partnerschaft mit Erlangens damaligem OB Dr. Siegfried Balleis. Beide sind Freunde des Radfahrens.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Partnerschaft mit Cumiana hat einen tragischen Hintergrund. Im Zweiten Weltkrieg verübten deutsche Soldaten in diesem kleinen Städtchen ein Massaker, bei dem 51 Zivilisten ihr Leben verloren. Jahrzehnte später stellte sich heraus, dass der Offizier, der mutmaßlich den Befehl gab, in Erlangen wohnt. 55 Jahre nach dem Massaker kam er vor ein italienisches Militärgericht, starb jedoch noch während des Prozesses. (-> Erlangens Partnerstädte und befreundete Gemeinden)

Nach einem Ruhetag in Cumiana starten Wolfgang und ich Richtung Westen. Noch einmal stellen sich die Alpen in den Weg. Noch einmal wird es in der Höhe ungemütlich. Heftiger, kalter Regen bei der Abfahrt von Montgenevre, so dass ich sogar /mit/ den Handschuhen friere. Am über 2000 Meter hohen Col du Lautaret haben wir mehr Glück: Von den Vortagen liegt zwar noch eine Menge Schnee am Straßenrand, doch der Himmel ist fast wolkenlos, eine freundliche Sonne wärmt uns.

Am Ende der Talfahrt sind wir fast auf Meereshöhe. Jetzt, Mitte Mai, stopfe ich die Handschuhe ganz unten in die Packtaschen. Nun habe ich sie wohl wirklich zum allerletzten Mal auf dieser Reise getragen.

Wolfgang am Col du Lautaret (2058 m) ...

... und in seinem 1kg-Zelt auf dem Campingplatz von Chatillon-sur-Chalaronne

 
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